Martina Behm, Hier draußen
erschienen bei dtv
Nach einem stressigen Arbeitstag in der Hamburger Hafen City fährt Ingo wie jeden Tag nach Hause auf seinen denkmalgerecht sanierten Resthof im Holsteinischen. Der Manager einer IT-Firma, die sich auf Parkhaussoftware spezialisiert hat, freut sich auf seine Frau und seine lieben Kinder, die Stockrosen vorm Fachwerkhaus, den Hund und die Hühner … doch halt, die Landidylle trügt! Denn Ingo hat kurz vor dem Ziel einen Wildunfall. Der hinzugezogene Jäger Uwe zögert, das schwerverletzte Tier zu erschießen, denn die Hirschkuh hat ein schlohweißes Fell. Ein solches Tier zu töten bringt Unglück und innerhalb eines Jahres wird derjenige, der das Tier auf dem Gewissen hat, selber sterben. Also nötigt Uwe Ingo, mit anzufassen an der Pistole und dann gemeinsam abzudrücken.
Diese erste Szene in Martina Behms großartigen Buch „Hier draußen“ setzt den Rahmen der Handlung, die zeitlich ziemlich genau die Spanne eines Jahres umfasst. Hauptfigur des Romans ist der fiktive Ort Fehrdorf, indem Ingo und seine Familie, der alleinstehende Uwe, eine Handvoll aktive Bauern und Nachkommen von Bauersfamilien, zahlreiche ältere Menschen und eine Alt-Hippi-WG miteinander und nebeneinanderher leben. Viele von ihnen kommen zu Wort und schildern in diesem multiperspektivisch angelegten Text ihre Sicht auf das Leben im Dorf. Viel Idyll bleibt da nicht übrig, aber Martina Behm erzählt auch von Begrenztheit und Tragik so voller Empathie, dass man bei der Lektüre immer wieder die eigenen Vorurteile über Bord wirft. So spannt die Autorin ein Lebenspanorama der letzten dreißig Jahre und beschreibt damit ein ganzes Universum.
Eine unbedingte Leseempfehlung!
Ines Klisch [April 2025]