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Alice Winn, Durch das große Feuer

aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp und Benjamin Mildner, erschienen im Eisele Verlag

In diesem Roman von Alice Winn begleitet man zwei Freunde bei ihren Erlebnissen im Ersten Weltkrieg und der Entwicklung ihrer Liebesbeziehung. Henry Gaunt und Sidney Ellwood sind zwei Teenager, die sich noch vor ihrem Schulabschluss freiwillig zum Dienst an der Front melden. Während ihres Einsatzes bekommen sie viel Schmerz und Leid zu spüren. Ellwood verarbeitet das Erlebte mit Poesie, während Gaunt die Ereignisse bis in den Schlaf verfolgen.

Das Buch ist unglaublich fesselnd geschrieben und die Charaktere werden einfühlsam dargestellt. Dazu tragen auch die verschiedenen Textformen bei, die Alice Winn verwendet. Zum Beispiel werden Ausschnitte der Internatszeitung abgebildet, in der im Krieg gefallene Schüler aufgelistet werden. Weitere Textformen neben erzählender Prosa sind Briefe und Gedichte von Ellwood oder Tennyson. Hierdurch bekommt der Roman eine reizvolle Mehrdimensionalität in der Erzählweise, behutsam übersetzt von Benjamin Mildner und Ursula Wulfekamp.

"Durch das große Feuer" lässt einen hautnah miterleben, wie das Leben im Krieg abläuft und welche Folgen dieses hat.

Mathilda Teschner aus EVAs Leseclub [April 2024]


Dani Shapiro, Leuchtfeuer

aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, erschienen bei Hanserblau

Bei der Recherche zu diesem Buch las ich, dass das unfertige Manuskript fast fünfzehn Jahre lang  in einem Schrank der Autorin lag. Als Dani Shapiro die losen Manuskriptblätter eines Tages wiederfand, war sie selbst überrascht. Daraus hat sie nun ein Buch gemacht, ich denke, eines der wirklich berührenden Bücher dieser Saison. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.

Im  Mittelpunkt der Geschichte steht die Familie Wilf, die in einem Vorort von New York ein bürgerliches Leben führt. In einer lauen Sommernacht 1985 verursacht der fünfzehnjährige Sohn Theo einen Unfall, weil er sich beim Fahren eine Zigarette anzündet. Eigentlich hätte er nicht fahren dürfen. Seine ältere Schwester Sarah, die ihn dazu überredet hat, fühlt sich schuldig. Sie übernimmt die Verantwortung, indem Sie behauptet, selbst gefahren zu sein. Denn die zwei Geschwister bleiben unverletzt, während Misty, Sahras Freundin, bei dem Unfall getötet wird. Der Vater von Theo und Sarah ist fast sofort zur Stelle. Er ist Arzt und begreift die Situation sofort. Auch er schweigt über all die Jahre und somit kann keine Verarbeitung geschehen.

„Leuchtfeuer“ ist ein Buch über die Macht der nicht gesprochenen Worte. Über viele Jahre können wir zusehen, wie die Lebenswege der Familie Wilf sich gestalten. Im Schatten des Geheimnisses scheint dies eher wie eine Flucht in verschiedene Richtungen als ein geerdetes Dasein. Schicksale verändern sich und über allem liegt ein nebliger Schleier. Theo ist irgendwann verschwunden, Jahre später kommt eine Postkarte aus Patagonien. Daran wird seine Mutter fast zerbrechen.

Und doch ist dies kein trauriges Buch. Am Ende stimmt es sehr versöhnlich, denn wir sehen,  Leben wird immer Licht und Schatten sein, nie frei von Brüchen. Und das Leben ist trotz allem schön und lebenswert. Dani Shapiro schreibt, als würde sie ein bisschen sich selbst meinen und auch ein bisschen jeden von uns.

Barbara Weil [März 2024]

 


Helga Flatland, Die Resonanzen

aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Elke Ranzinger, Ecco Verlag 

Mathilde, die gern Schriftstellerin werden möchte wie ihre verstorbene Mutter, schlägt sich im quirligen Oslo als Lehrerin für Norwegisch durchs Leben. Sie beginnt eine sehr intensive Liebesbeziehung mit einem ihrer älteren Schüler, Jacob. Es kommt wie vorhersehbar: Die Beziehung wird publik und man legt ihr nahe, den Schuldienst zu quittieren. Mathilde ist ratlos und verzweifelt. Ihr geliebter Jacob hat sich aus für sie nicht nachvollziehbaren Gründen von ihr zurückgezogen. Sie versucht einen Ausbruch - es ist die Coronazeit - und sie beschließt, wie viele damals, sich ein Haus auf dem Land zu mieten. So hofft sie auch, endlich mit Konzentration an einem Roman arbeiten zu können, den sie seit Jahren plant.

Im Norden des Landes betreibt eine Familie in langer Familientradition einen Bauernhof. Es hat gerade einen Generationswechsel gegeben und die charakterstarke Besitzerin übergab ihren Betrieb an ihre beiden Zwillingssöhne. Andres hat schon Frau und Kinder, wogegen sein Bruder Johannes allein wohnt. Von ihm geht auch die Initiative aus, das lehre „Auszugshaus“ (so nennt man das Nebengebäude auf einem Bauernhof, in denen in der Regel die Seniorbesitzer des Hofes wohnen, zu vermieten, um in den schwierigen wirtschaftlichen Zeiten das Einkommen der Familie etwas aufzubessern. Mathilda zieht dort ein und Johannes ist von Beginn an von dieser Frau fasziniert.

Helga Flatland lässt den Leser abwechselnd von der Seite Mathildes und der des Johannes am Geschehen der Handlung teilhaben. Auffällig wird, dass sie es vermeidet, für ihre Figuren Partei zu ergreifen. So wird man auch als Leser in unterschiedlichste Empfindungen gestürzt. Helga Flatland beschreibt die Charaktere sehr fein und differenziert. Schritt für Schritt erschließen sich die verwebten Beziehungen der Menschen untereinander. Dies alles macht den besonderen Reiz des Buches aus. 

Der Originaltitel des Buches lautet „Etterklang“, zu Deutsch Nachklang. Das finde ich treffender. Flatlands Themen, Tradition und Moderne, die Stellung der Geschlechter in den unterschiedlichen Zeiten, habe ich in so einer Form noch nicht gelesen. Ein Echo unserer Vorfahren erreicht wohl fast jeden. Also lassen sie sich überraschen, denn es kommt alles ganz anders.                                                                           

Marlies Günther [Februar 2024]


Megan Campisi, Sünde

aus dem Englischen von Leena Flegler, erschienen im Limes Verlag

 


Die junge Anna Owens wird im London des 16. Jahrhunderts bei einem Brotdiebstahl erwischt und verhaftet. Sie verbringt viele Tage im Gefängnis und während andere Gefangene rasch verurteilt werden, muss sie in der dunklen Zelle ausharren und auf ihre Strafe warten. Diese fällt ungeheurlich aus: Sie wird dazu bestimmt, als Sündenesserin am Bett Verstorbener deren böse Taten über bedeutungsvolle Speisen symbolisch zu sich zu nehmen und so den Toten den Weg ins Himmelreich zu öffnen. Anna ist entsetzt, obwohl dieses Amt ihr endlich die Sorge um die Beschaffung von Nahrung nimmt. Doch eine Sündenesserin ist eine Außenseiterin, keiner spricht mit ihr, keiner berührt sie, und somit ist Anna dazu verdammt, ein einsames Leben zu führen. Und über die Grausamkeiten ihrer Mitmenschen Bescheid zu wissen. 


Dieser faszinierende Roman bewegt sich gekonnt zwischen Realität und Fiktion. Megan Campisi erschafft ein Bild des vorelisabethanischen London und seiner Bewohner, dass zugleich schillernd bunt und doch düster ist, zwischen finsterem Mittelalter und Neuzeit steht. Das Sündenessen am Totenbett, das laut Vorbemerkung der Autorin bis vor etwa 100 Jahren in England noch vereinzelt als Volksglauben praktiziert wurde, gestaltete sich in der Realität wahrscheinlich etwas weniger üppig, als im Roman beschrieben. Megan Campisis Erzählweise ist auch deswegen so einnehmend, weil es oft unklar bleibt, ob das Beschriebene den historischen Tatsachen entspricht oder „nur“ entsprechen könnte. Reale historische Persönlichkeiten bleiben trotz Verfremdung erkennbar,  aber sie bewegen sich doch außerhab des belegbaren Kontexts. Ein insgesamt sehr beeindruckendes Buch und außergewöhliche Unterhaltung.

Ines Klisch [2023]


Ella-Maria Nutti, Kaffee mit Milch

aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, erschienen im Kindler Verlag

In der nordschwedischen Provinz ist das Leben ganz anders als im pulsierenden Stockholm. Das weiß Agneta genau, als sie in den Zug steigt und ihre heimatliche Kleinstadt in Richtung Metropole verlässt. Eine ganze Nacht wird die weite Fahrt dauern und sie wird Agneta, Ende Vierzig, für ein Wochenende in eine andere Welt bringen – in die Welt ihrer erwachsenen Tochter Tilda. Zwei Tage und zwei Nächte verbringen die zwei Frauen miteinander, in Tildas enger Wohnung, in diversen Cafés und Restaurants der Stadt und in der Kunstgalerie. Agneta hat einen wichtigen Grund, weswegen sie zu Tilda reist und Tilda spürt dies genau. Doch zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Frauen herrscht eine Sprachlosigkeit, die kaum überwindbar zu sein scheint. Und so setzt Agneta zwar immer wieder an, doch die richtigen, die wichtigen Worte kommen ihr nicht über die Lippen.

Die Autorin Ella-Maria Nutti, selbst noch keine dreißig Jahre alt, hat sich der Aufgabe gestellt, eine Endvierzigerin in einer schwierigen Lebenssituation zu porträtieren. Dazu kommen schwergewichtige Themen wir Krankheit, Generationenkonflikte, Überforderung und persönliches Scheitern – eine herausfordernde Mischung, um einen emotional-berührenden, positiven Roman zu schreiben. Doch es gelingt Ella-Maria Nutti hervorragend, dies alles ins Gleichgewicht zu bringen, behutsam formulierend ihren Figuren menschliche Größe zu geben und dabei so viel Hoffnung zu vermitteln, dass dieses Buch seine Leserschaft mit einem warmen Gefühl zurücklässt. Ein unbedingter Lesetipp!

Ines Klisch [2023]


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