Sabine Rennefanz, Kosakenberg
erschienen im Aufbau Verlag
Kathleen lebt in Kosakenberg, einem fiktiven Ort in der Nähe von Brandenburg. Nach dem Studium schaut sie weit über den Tellerrand hinaus, sie verlässt ihre Heimat. Nach mehreren Stationen in Europa landet sie in London. Wie viele andere zieht es sie zu neuen Orten und Aufgaben, die ihr das Dorf nicht bieten kann. Sie wechselt also nicht nur den Ort, sondern auch das Milieu: vom praktisch denkenden Dorf zum Intellektuellen. Kathleen ist attraktiv, sprachgewandt und kreativ, wie gemacht für einen Job als Art Director im Herzen von London mit künstlerischer Umgebung und exklusiven Partys.
Relativ schnell wächst sie in die Rolle der Weltenbürgerin hinein. Mit dem Verlassen der Heimat und dem Wunsch nach Veränderung beginnt auch das Vermissen, das sie aber mental nicht einordnen kann. Den Nachrichten ihrer Mutter, die sie regelmäßig mit den aktuellen Geschehnissen aus dem Dorf versorgt, schenkt sie wenig Aufmerksamkeit. Aber kann man seine Vergangenheit einfach so hinter sich lassen? Bei den sporadischen Besuchen in Kosakenberg fühlt sie sich seltsam verloren. Man heißt sie willkommen, zeigt aber kein großes Interesse an Einzelheiten aus ihrem Leben. Als sie zur Hochzeit ihrer ehemals besten Freundin hochgestylt erscheint, erscheint ihr diese wunderbar geerdet und in ihrer kraft stehend, während sie sich selbst etwas deplaziert fühlt.
Der Roman beschreibt ein Thema, das hierzulande fast alltäglich ist: den Weggang junger Menschen aus dem Osten des Landes nach der Wende bis heute. Bleiben oder gehen? Beides scheint Verrat mit sich zu bringen - entweder zur Heimat und zur Familie oder an sich selbst, den eigenen Wünschen und Zielen. Ein einfühlsames Buch über ein Thema , das wohl viele junge Menschen auf der Suche nach ihrer Identität betrifft.
Barbara Weil [Juni 2024]