aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, erschienen bei Hanserblau
Bei der Recherche zu diesem Buch las ich, dass das unfertige Manuskript fast fünfzehn Jahre lang in einem Schrank der Autorin lag. Als Dani Shapiro die losen Manuskriptblätter eines Tages wiederfand, war sie selbst überrascht. Daraus hat sie nun ein Buch gemacht, ich denke, eines der wirklich berührenden Bücher dieser Saison. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Familie Wilf, die in einem Vorort von New York ein bürgerliches Leben führt. In einer lauen Sommernacht 1985 verursacht der fünfzehnjährige Sohn Theo einen Unfall, weil er sich beim Fahren eine Zigarette anzündet. Eigentlich hätte er nicht fahren dürfen. Seine ältere Schwester Sarah, die ihn dazu überredet hat, fühlt sich schuldig. Sie übernimmt die Verantwortung, indem Sie behauptet, selbst gefahren zu sein. Denn die zwei Geschwister bleiben unverletzt, während Misty, Sahras Freundin, bei dem Unfall getötet wird. Der Vater von Theo und Sarah ist fast sofort zur Stelle. Er ist Arzt und begreift die Situation sofort. Auch er schweigt über all die Jahre und somit kann keine Verarbeitung geschehen.
„Leuchtfeuer“ ist ein Buch über die Macht der nicht gesprochenen Worte. Über viele Jahre können wir zusehen, wie die Lebenswege der Familie Wilf sich gestalten. Im Schatten des Geheimnisses scheint dies eher wie eine Flucht in verschiedene Richtungen als ein geerdetes Dasein. Schicksale verändern sich und über allem liegt ein nebliger Schleier. Theo ist irgendwann verschwunden, Jahre später kommt eine Postkarte aus Patagonien. Daran wird seine Mutter fast zerbrechen.
Und doch ist dies kein trauriges Buch. Am Ende stimmt es sehr versöhnlich, denn wir sehen, Leben wird immer Licht und Schatten sein, nie frei von Brüchen. Und das Leben ist trotz allem schön und lebenswert. Dani Shapiro schreibt, als würde sie ein bisschen sich selbst meinen und auch ein bisschen jeden von uns.
Barbara Weil [März 2024]